10.04.2015

„Töchternachfolge“ als erfolgsversprechende Lösung

„Töchternachfolge“ als erfolgsversprechende Lösung

Unternehmerin wird Teil von gefragtem Management-Fachbuch

Ein Familienunternehmen als Frau vom Vater zu übernehmen – was vor wenigen Jahrzehnten noch undenkbar oder nur unter ganz besonderen Umständen möglich schien, ist in der Gegenwart gar nicht mehr so unüblich. Und funktioniert zum Erstaunen vieler Kritiker sogar sehr gut. Trotzdem liegt der Frauenanteil bei Betriebsübernahmen je nach Bundesland nur zwischen 13 und 28 Prozent. Das fanden die Autorinnen eines erst jüngst veröffentlichten Management-Fachbuches heraus, als sie sich bei ihrer Spurensuche in weiblich geführte Familienunternehmen – unter anderem auch nach Fulda – begaben. Als Gründerinnen der Initiative „generation töchter“ haben Soziologin Dr. Daniela Jäkel-Wurzer und Diplom-Kauffrau Kerstin Ott in ihrer Studie spannende Fragen zum Thema „Töchternachfolge“ untersucht und die Ergebnisse in einem Buch zusammengefasst, das Familienunternehmen dazu dienen soll, sich bei der Frage um ihre Nachfolge neue Möglichkeiten zu eröffnen.

 

Mit Erfolg: Schnell landete der betriebswirtschaftliche Ratgeber, der in Zusammenarbeit mit der Forschungsstelle für Familienunternehmen der Universität Bayreuth entstanden ist, auf Platz 1 der Neuerscheinungen bei Amazon. Zu verdanken haben das die beiden Autorinnen vor allem der Kooperationsbereitschaft zahlreicher Unternehmerinnen, die einen praxisnahen „Blick hinter die Kulissen“ erst ermöglichten. Als eine von insgesamt 30 Frauen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz wird im Management-Fachbuch „Töchter im Familienunternehmen. Wie weibliche Nachfolge gelingt und Familienunternehmen erfolgreich verändert“ auch Anika Wuttke – Geschäftsführerin der Fuldaer Werbeagentur und -Produktion creart – persönlich portraitiert und ihre Geschichte rund um den Einstieg ins Unternehmen vorgestellt. Nach dem BWL-Studium mit Schwerpunkt Werbung (Marketing und Kommunikation) ging es für sie erst einmal nach Frankfurt, bevor sie letztlich 2005 in das von Vater Ernst Neidhardt 1970 gegründete Unternehmen eintrat.

 

Als sie fünf Jahre später den väterlichen Teil der Geschäftsführung übernahm, war ihre Schwester Jennifer Neidhardt bereits in die Führungsebene eingestiegen. Als sogenanntes Tandem hatte die ältere Schwester Jennifer gemeinsam mit dem Vater das Unternehmen bis zum Eintritt Wuttkes geleitet. Eben dieses Modell mache die Nachfolge für beide Seiten recht angenehm, wie die „Töchter im Familienunternehmen“-Autorinnen zu berichten wissen – und zwar in zweierlei Hinsicht.

 

Tandem-Lösungen und mehr Privatleben

Ein Aspekt für die erfolgsversprechende Tandem-Übergabe sei die beiderseitige Erleichterung durch eine ebenso stückweise Vorbereitung des Nachfolgers wie den stückweisen Rückzug des Abtretenden. Des Weiteren, betont Buchautorin Jäkel-Wurzer, „gehen Frauen nicht so leicht in Konkurrenz zum Vater.“ Das liege wohl auch daran, dass sie meist kooperativer als Männer agieren und ihren Vätern sehr viel Respekt und Wertschätzung entgegen bringen. „Viele Unternehmer sehen ihre Töchter deshalb heute auch absolut nicht mehr als Notlösung“, weiß auch Kerstin Ott. Im Fall der Fuldaer Werbeagentur und -Produktion leiten so mittlerweile alle vier Schwestern die Geschicke der Firma creart und ihrer Tochterfirma com.positum. Dabei sei das so nie geplant gewesen, berichtet creart Geschäftsführerin Wuttke.

 

Im Gegenteil, zunächst waren alle vier Töchter dem Rat ihres Vaters – beruflich das zu machen, was sie wirklich wollen – gefolgt und in alle Himmelsrichtungen ausgeschwärmt. Während Jennifer Neidhardt, die älteste der vier Schwestern, zunächst Schriftsetzerin lernte bevor sie ihr Studium in Druck- und Medientechnik als Diplom-Ingenieur abschloss, kam Anika Wuttke – die Zweite im Bunde – über eine Lehre als Bauzeichnerin zum BWL-Studium mit Schwerpunkt Werbung (Marketing-Kommunikation).

 

Com.positum-Geschäftsführerin Sonja Neidhardt folgte erst dem Ruf der Medien- und Kommunikationswirtschaft, setzte mit ihrem Master in Medienrecht aber schließlich den Startschuss als Expertin zur rechtlichen Absicherung des Unternehmens und seiner Kunden. Und auch die Jüngste im Bunde – Kathinka Gröger – wollte als Fotografin zunächst unabhängig vom väterlichen Unternehmen arbeiten, fand durch ihr Mediendesign-Studium schließlich als Leiterin der Creations-Abteilung sowie des hauseigenen Fotostudios ihre Bestimmung.

 

So vielseitig die Interessen der vier Schwestern auch waren, passten sie letztlich doch perfekt in das vom Vater einst als Werbeagentur und -Produktion gegründete Familienunternehmen. Was die Arbeit für die vier dort umso schöner macht, ist das Gefühl, sich immer auf einander verlassen zu können. Aufgrund ihrer Arbeit nämlich auf eine Familie zu verzichten, war keine Option. Und damit steht die Unternehmensführung von creart voll im Trend, wie Buchautorin Kerstin Ott weiß. „Während noch vor etwa 10 Jahren viele Unternehmer-Töchter ganz auf einen Partner und Kinder verzichteten, um sich vollständig dem Geschäft zu widmen, ist Familie für Firmenchefinnen heute sehr wichtig“, führt die Expertin fort und belegt ihre Aussage mit dem eindeutigen Ergebnis der Studienteilnehmer-Befragung nach Kindern: Rund 70 Prozent davon sind Mütter.

 

Frauenanteil weiterhin gering – Größte Konkurrenz: Brüder

Trotz vieler Vorteile – der Frauenanteil bei Betriebsübernahmen liegt je nach Bundesland nur zwischen 13 und 28 Prozent. Und nur knapp 30 Prozent der Frauen, die eine Unternehmensnachfolge angetreten haben, mussten sich einem Bruder als Konkurrenten stellen. Doch „Wo bleiben die Frauen?“ lautete schließlich die Frage, die Soziologin Jäkel-Wurzer und die Diplom-Kauffrau Ott zum Anlass nahmen, in ihrem Buch gut funktionierende Führungsstrategien von Frauen an der Spitze eines Familienunternehmens abzubilden, um weiblichen Nachfolgern mehr Mut zuzusprechen. Ein Anfang scheint gemacht: Zur Vorstellung des Management-Ratgebers für die „generation töchter“ waren Anfang des Jahres zahlreiche Interessenten der Einladung zu einem öffentlichen Vortrag mit dem Titel „Umbruchsituation im Familienunternehmen – von den erfolgreichsten Unternehmerinnen lernen“ an die Universität Bayreuth gefolgt. Und auch die im Buch vorgestellten Unternehmerinnen ließen es sich nicht nehmen, vor Ort im Gespräch nicht nur den einen oder anderen Tipp preiszugeben, sondern sich „als Schwestern im Geiste“ auch einmal persönlich kennen zu lernen.

 

Interessierte finden weitere Informationen zur Studie unter www.generation-toechter.de

 

Artikel auf osthessennews.de

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